Rodenhausens auf dem Meer

...weil's uns gefällt!

 
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08 Gibraltar bis und mit Lanzarote

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Es erschien uns ratsam für die Etappe Gibraltar/Kanaren jemand dabei zu haben, der uns zur Hand gehen kann. Die Situation ist für uns neu: Das erste Mal Atlantik, das erste Mal eine mehrtägige Etappe, das erste Mal pures Blauwasser segeln.
Im Web haben ich ein Inserat aufgeschaltet: Mitsegler gesucht! Wir bekommen mehr Angebote als uns lieb sind. Wie will man anhand eines kurzen Schriftverkehrs per Email wissen, ob dieser Jemand zu uns passt. Können wir ihm vertrauen? ..mit einer fremden Person unser Schiff teilen? Der Erste Interessent erscheint uns der Beste. Er ist jung, wirkt clever, zuverlässig und segelerfahren. Doch was wir nicht wussten: Er ist ein arbeitsloser Punk-Rocker!

Die APARIMA liegt startklar in Gibraltar. Es ist schon spät im Jahr, und vor der Küste Portugals tobt der erste Wintersturm. So nimmt sich unser neues Crewmitglied noch ein Tag Zeit und bleibt bei Freunden in Spanien. Wir machen Einkäufe, räumen das Schiff,  gehen ein letztes Mal duschen. Es ist bereits dunkel als der grossgewachsene Matrose mit bauschigem Haarschopf am Zaun des Yachthafens steht.

Alexis ist mir von Anfang an sympathisch. Er macht mir nicht nur körperlich, sondern auch mental einen soliden Eindruck. Mit ihm haben wir den Joker gezogen, den wir für unser nächstes Abenteuer brauchen.

Tags darauf gehe ich nochmals frisches Brot und Gemüse einkaufen. Alexis will nochmal über die Grenze nach Gibraltar. Wir verabreden uns, ihn da mit der APARIMA abzuholen.
Rechtzeitig sind wir vor dem Hafen von Gibraltar. Doch in Gibraltar einen Passagier auf ein Boot zu nehmen ist nicht ganz einfach. Da herrschen Zollformalitäten wie im kalten Krieg, und das innerhalb der EU im Jahr 2009!
Für den Quatsch bleib keine Zeit, es ist eh schon spät am Nachmittag.
Ich bestelle Alexis telefonisch auf den äusseren Steg des Hafens. Während dem Er auf den Steg raus rennt drehen wir die APARIMA ab. Mit einem beherzten Tellsprung landet er auf Deck: Ab geht's!

Wir haben Wind gegen an. Wir kreuzen innerhalb der Strasse auf. Unangenehm wird's als die Nacht hereinbricht.
Überall Lichter von Frachtern, Fähren und Kreuzfahrtschiffen die uns teils mit Scheinwerfer, teils mit Blitzlichter aus dem Weg katapultieren wollen. Hauptsache wir werden nicht übersehen!

Die nächsten Tage haben wir halben Wind wir kommen zügig voran. Doch nicht alles kommt wie geplant.
Es ist die dritte Nacht auf See. Wir sind weit draussen im Atlantik. In ein paar Stunden wird's morgen. Es ist dunkel und regnet. Es steht steifer Wind, vereinzelte Gewitter am Horizont erhellen die Szenerie für ein paar Sekunden. Alexis steht im Cockpit. Ich komme zu Ihm hoch um ihn abzulösen. Just in dem Moment schlägt etwas gegen den Rumpf. Es tönte als ob wir ein Stück Holz gerammt hätten. Schon schreit Kathrin von unten hoch: „Wasser, wir haben Wasser im Schiff!“

Ich renne runter. Wie ein kleiner Bergbach sprudelt es zwischen den Bodenbrettern durch. Die Bilgenpumpe läuft an.
Meine erste Analyse: Sie vermag raus zu pumpen was rein kommt. Die Lage ist stabil. Der Gedanke ist nicht fertig gedacht als Alexis von oben schreit: „Die Genua ist kaputt, sie ist gerissen!“
Ich weise Kathrin an, sie soll die Bilgenpumpe überwachen. Während dessen eile ich wieder hoch zu Alexis. Wir bergen die Genua. Die APARIMA macht bei dem Wind auch nur mit dem Grosssegel noch genug Fahrt.
Wieso das Segel ausgerechnet jetzt kaputt gegangen ist ist uns schleierhaft. Die Erklärung: Murphy's Law.
Das Wasser kommt aus dem Motorraum. Da komm ich nur hin, wenn ich den Deckel im Cockpit öffne. Doch bei dem Wetter in dunkler Nacht will ich kein zweites Loch im Schiff aufmachen. Eine Stunde später bricht der Tag an. Das          Wetter beruhigt sich ein bisschen. Ich schraube die Platte ab. Unten im Motorraum gurgelt das Wasser. Die Motorwelle hat sich vom Motor gelöst und ist nach hinten raus gerutscht. Gott sei Dank steht sie hinten am Skeg an und ging nicht in den Tiefen des Atlantiks verloren. Sie dreht unheimlich schnell im Leerlauf. Als erstes nehme ich einen Lumpen und die grosse Klempnerzange. Ich lege den Lumpen um die rotierende Welle und klemme gleichzeitig mit der Zange zu.
Es gelingt mir die Welle zu bremsen. Der Lumpen verwickelt sich derart stark, das er ziemlich gut dichtet. Ich schraube noch die Stopfbuchse zu. Es hält, es dichtet!

Wir schnaufen durch. Als nächstes gebe ich meine Position durch. Ich schicke per Funk meinem Bruder eine E-mail in der ich Ihm die ganze Situation darlege, mit der Bitte da ganze vertraulich zu halten. Ich will nicht unnötige Ängste auslösen. Sämi sucht für uns auf der ersten Kanarischen Insel (Lanzarote) einen Yachthafen mit Travel-Lift und meldet uns an: Wir brauchen Schlepphilfe. Die APARIMA muss für die Reparaturen auf's Trockene. Ich melde alle 12h meine Position.
Die Genua ersetzen wir durch eine Kombination von Fock und Sturmfock. Ein Gebastel, aber wir kommen voran. Es ist Morgen als die Küste von Lanzarote am Horizont auftaucht. Wir fühlen uns zumindest zur Hälfte gerettet. Die Stunden bis zur Südspitze der Insel werden immer länger. Die „Marina Rubicon“ ist ein neuer Yachthafen. In meinem Verzeichnis finde ich keine Karte. Ich hab lediglich eine Ansteurerungs-Position. Das muss reichen. Die Sicht ist gut. Der Wind dürfte für unsere Situation doch eher leicht achterlich, statt steif gegenan sein.
Wir bergen die Fock und reffen das Grosssegel. So können wir weniger hoch an den Wind, haben aber weniger Fahrt und einfachere Segelführung. Wir können nicht unter Motor einlaufen. Alles muss unter Segel klappen. Kathrin erreicht die Marina per Funk. Unsere Ankunft wurde erwartet. Wir werden angewiesen die Hafeneinfahrt möglichst nahe anzulaufen. Man könne uns nicht „draussen“ holen kommen. Wir nähern uns. Vor uns sehen wir die Hafenmauer. rechts und links davon die Felsen. Die Einfahrt können wir aber nur aufgrund der Positionsdaten erahnen. Auch der zweite Funkkontakt endet mit „näher kommen“. Ich stelle Alexis ans Ruder, Kathrin an die Bugspitze um nötigenfalls den Anker jederzeit fallen lassen zu können. Ich übernehme das Kommando und die Segelführung. Ich setzte einen letzten Funkspruch ab: „Wir sind beschränkt manöverierfähig und krachen ohne Schlepphilfe in zwei Minuten in die Hafenmauer.“
 Wir können nicht höher an den Wind, nur näher an die Hafenmauer oder wieder raus auf's Meer.
Also gehen wir näher und hoffen, dass die letzte Wende kein Desaster wird..
In letzter Sekunde schiesst ein Schlauchboot aus dem Hafen. Wir drehen die APARIMA in den Wind, während Kathrin die Schleppleine wirft.
Sicher werden wir in den Hafen gezogen. Die APARIMA wird am Empfangssteg festgebunden. Wir fühlen uns wie frisch geboren. Nebst der offiziellen „Bergungs-Rechnung“ bezahle ich dem Marinero gerne ein gutes Trinkgeld. Ganz alleine  hat er ein 7 Tonnen schweres Schiff ohne Kratzer behutsam an den Steg befördert, wirklich professionell!

Wir melden uns bei der Werft und reservieren einen Lift, was nicht ganz billig wird...
Ich öffne nochmals den Motorraumdeckel. Wie konnte sich die Welle nur lösen? Bald wird mir alles klar:
Die Welle, die wir in Almerimar drehen und montieren liessen, hat ein zu kurz geschnittenes Gewinde. Das bedeutet, dass zwischen Mutter und Dämpfungselement ein kleiner Spalt bleibt. So kann die Mutter das Dämpfungselement gar nicht auf den Wellenkonus aufziehen. Durch die Vibrationen des Motors löste sich die Mutter Stück für Stück, bis dann plötzlich die ganze Welle nach hinten raus rutschte. Die „professionelle Facharbeit des Bodenlegers“ in Almerimar hätte beinahe zum Untergang der APARIMA geführt.
An diesem Tag schwöre ich alle Arbeiten am Schiff selber zu machen, selbst wenn ich davon nichts verstehen soll. Zumindest tue ich es aus Verstand und weiss danach was ich getan habe (und bezahle nicht für Fehler anderer). Ich sitze unbequem im Motorraum und versuche die Welle ins Schiff zurück zu ziehen. Es klappt! Ich bringe sie wieder in die ursprüngliche Position und stelle die Wellendichtung ein. Überglücklich storniere ich den Lift.
Ich werde morgen in die Stadt fahren um ein paar übergrosse Unterlagsscheiben zu kaufen. Damit kann ich den Spalt füllen und das Dämpfungselement richtig auf den Wellenkonus aufziehen.  

Es kommt eine Schlechtwetterfront auf. Die Marina möchte den Empfangssteg für Notfälle freihalten. So wird die APARIMA an den nächsten freien Liegesteg gezogen. Das ist nicht weit, aber wir müssen jetzt um das ganzen Hafenareal laufen bis wir wieder bei den wichtigen Hafeneinrichtungen sind.
Alexis ging heute zum Flughafen um sich ein Rückflug zu buchen. Er hat vom Umzug nichts mitbekommen. Es ist mittlerweile Abend. Er wird seine grosse Mühe haben im grossen Masten-Wald die APARIMA zu finden. Sein Telefon hat er auf dem Schiff gelassen. Was würde ich an seiner Stelle tun, wenn ich zurückkomme und kein Schiff mehr da ist? Ein Bier trinken und abwarten. Also gehe ich von Bar zu Kneipe und hinterlasse die neue Adresse. Es ist schon spät in der Nacht als ich zu Bett gehe. Irgendwann rumpelt und kracht Alexis den Niedergang hinunter. Er hat wohl mehr als ein Bier getrunken. Ein bisschen später liegt er wie ein Klappstuhl quer auf der Toilette. Es scheint ihm gut zu gehen. Die ganze Nacht brennt Licht im heiligen Örtchen und darüber kreisen die Sternchen. Als es hell wir findet er seine Koje und den gerechten Schlaf. Ich find's lustig. Ich gehe an Deck. Da liegt Alexis Hose mit blutigen Oberschenkeltaschen und darin inzwischen übel riechende Thunfisch-Filets. Offensichtlich wollte er uns gestern (vor seinem Ausrutscher) noch etwas zum Nachtessen mitbringen. Ich dank es ihm und nehme ihn gleich aufs Korn: „Gestern suchte die Guardia Civil einen Typen mit blutigen Hosen. Weisst Du wieso?“
Die schrägen Vögel in der Hafenkneipe fanden den jungen Matrosen, der sein Schiff verloren hat, wohl lustig. Erst nach Polizeistunde übergaben sie ihm meine Nachricht. Der Ärmste hat wohl gute Bekanntschaften gemacht..

Alexis verlässt uns wenig später. Er ist ein prima Kerl. Gerne hätten wir ihn wieder mal dabei. Obwohl Yaron nicht viel mit ihm zu tun hatte. Dünkt mich, als ob er sich jetzt plötzlich wie ein Punk-Rocker aufführt. Zufall?

Zwei Tage später hab ich unseren Wellenschaden professionell repariert. Wir verlegen unter Motor in eine gut gelegene  Hafenbox und machen schnell Bekanntschaft zu anderen Seglern. Ich bringe die gerissene Genua zum Segelmacher. Auf meine Frage ob sich die Reparatur lohne, meint er: „Der Stoff ist alt, über den Atlantik sollte er halten, aber wohl nicht lange“. Damit hatte er nicht ganz recht..

 

 

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